Im Haus der Wissenschaft begann der Tag mit einer angenehmen Überraschung. Prinz Silann Ashere hatte ein Geschenk übermitteln lassen, eine solide Holzkiste mit einem Brief. In dem Brief gratulierte der Prinz zum anstehenden 5-jährigen Bestehen des Forscherhauses, danach noch einige freundliche Worte. Namir fiel es schwer, seine Neugier zu bändigen und rätselte, was wohl in der Kiste sein könnte. Ein rothwardonisches Artefakt? Vielleicht etwas von den Dwemern? Oder eine Sammlung besonderer kulinarischer Köstlichkeiten aus der Alik´r? Da es bis zum Jubiläum noch einige Tage dauerte, musste Namir sich wohl oder übel in Geduld üben.
Doch bereits zur Mittagsstunde warf das Unheil seine Schatten voraus. Ghin war unterwegs auf dem Markt, als Madame Barneau zu einem unerwarteten Besuch kam und dem Schreiber von der Ermordung einer Adeptin berichtete. Die sonst stets freundliche Kunsthändlerin wirkte ungewöhnlich ernst und gab knappe Anweisungen, die keinen Widerspruch duldeten. Bis auf weiteres sollten keine Forschungsaufträge angenommen werden, Forschungsreisen waren ebenfalls untersagt. Wäre es nach Madame Barneau gegangen, hätten die Gefährten Wegesruh auf der Stelle verlassen, doch die Bretonin wusste nur zu gut, dass eine solche Aufforderung nicht beachtet worden wäre. So konnte sie nur hoffen, dass die Mitglieder des Forscherhauses, allen voran Namir und Ghin, sich wenigstens daran hielten, ihre wissenschaftlichen Arbeiten vorerst ruhen zu lassen. Die irritierten Fragen von Namir ignorierte die Mäzenin und teilte zum Schluss nur knapp mit, dass sie für unbestimmte Zeit verreisen müsse und die Gefährten in höchster Alarmbereitschaft bleiben sollten.
Zum ersten Mal nach vielen Jahren kamen in dem Schreiber Zweifel auf. Namir hatte Madame Barneau vor etwa 6 Jahren in Dolchsturz über Magistra Nemarc kennengelernt. Er hatte nie in Frage gestellt, dass seine Mäzenin eine Kunsthändlerin sei, mit einem exklusiven Kundenkreis, der höchsten Wert auf Verschwiegenheit legte. Sicher, es gab allerlei Gerüchte über die Bretonin. Ihren angeblichen Einfluss in höheren Kreisen, ihre häufigen Besuche in der Magiergilde ... aber Namir hatte das nie sonderlich interessiert. Jetzt wurde ihm bewusst, dass er so gut wie nichts über seine Mäzenin wusste - und er fürchtete, dass sich das noch rächen könnte. Den ganzen Nachmittag über grübelte der Schreiber über die Ereignisse in Wegesruh, Madame Barneau, die tote Adeptin ... doch es ergab sich beim besten Willen kein Zusammenhang.
Am Abend nahm der Alptraum dann endgültig seinen Lauf. Es begann damit, dass Ghin sich vermeintlich wieder einen seiner Scherze erlaubt hatte und behauptete, Namir habe dem Bosmer eine Nachricht zukommen lassen mit der dringenden Bitte, zur halb achten Abendstunde im Forscherhaus zu sein, da es wichtige Neuigkeiten gebe. Ghin hatte sich sogar die Mühe gemacht, ein Stück Pergament anzufertigen, auf dem er perfekt die Handschrift des
Rothwardonen nachgemacht hatte. Es sollte sich jedoch rasch herausstellen, dass es sich keineswegs um einen Scherz handelte.
Amrán, Liniphia, Ulfrik, Delia, Aaravos, und sogar die
Altmer Ilyara Llewellyn waren alle etwa zur halb achten Abendstunde im Haus der Wissenschaft eingetroffen. Und alle behaupteten, eine schriftliche Nachricht von Namir erhalten zu haben, mit der dringenden Bitte, das Forscherhaus aufzusuchen. Welchen Zettel sich der Schreiber auch ansah, es war ohne Zweifel seine Handschrift. Namir kam ein schrecklicher Verdacht, und er zeigte Amrán das Schreiben, das -angeblich- von Prinz Silann stammte. Amrán bestätigte, dass es sich um die Handschrift des Prinzen handelte - oder um eine perfekte Nachahmung. Doch von einem Geschenk für das Forscherhaus wusste Amrán ebenso wenig wie von einem Brief, den sein Neffe zum 5-jährigen Jubiläum verschicken wollte.
Schnell dämmerte den Gefährten und der
Altmer, was hier wirklich los war. Jemand wollte die Gruppe im Haus versammeln, und sehr wahrscheinlich lag die Antwort nach dem Warum in der Kiste, die vormittags überbracht worden war. Aaravos, Namir, Amrán und Ghin beschlossen, ins obere Stockwerk zu gehen und die Kiste zu öffnen. Die übrigen Gefährten blieben zurück, da sie der Sache nicht über den Weg trauten. Vor allem Ulfrik fand es töricht, eine unbekannte Kiste einfach so zu öffnen, wo doch alles überdeutlich auf Gefahr deutete.
Nach einigen Sicherheitsvorkehrungen und Untersuchungen an der Kiste wurde der Deckel behutsam geöffnet. Kein Gift, keine Falle, nichts ... eine ganz gewöhnliche Kiste, die innen dicht versiegelt war. Und der ein leicht modriger Geruch entstieg, wie er zu Beginn des Verwesungsprozesses einsetzte. In der Kiste war der Kopf einer
Dunmer, ihr Gesicht ein einziger Ausdruck puren Grauens. Aaravos erkannte sofort, dass es sich um den Kopf jener Adeptin handelte, die letzte Nacht ermordet aufgefunden worden war. Im völligen Kontrast dazu war ein edler Pergamentbrief in der Kiste beigelegt. Namir zog sich Lederhandschuhe an, für den Fall, dass der Brief mit Kontaktgift versehen war, und entnahm das Schriftstück, um es zu öffnen und zu lesen. Inzwischen waren auch die anderen Gefährten nach oben gekommen. Am Ende hatte die Neugier doch gesiegt, und jeder wollte sehen, was in der Kiste war. Ein abgetrennter Kopf war allerdings ganz sicher nicht das, was sie erwartet hatten.
Unter anderen Umständen wäre der Inhalt des Briefes wohl völlig belanglos gewesen, doch in dieser Situation reichte es aus, Namir blass werden zu lassen und ihm Angst einzujagen. Mit zittriger Hand legte er das Schreiben auf den Tisch ... Der Alptraum, der sie damals in Schildwacht heimgesucht hatte, war zurückgekehrt. Im Brief stand, in schwungvoll-eleganter Schrift verfasst, nur ein einziger Satz und eine Unterschrift: "Bereit für ein neues Spiel? ... der Schakal"