
Es war die dämmernde Früh am 13. Tag der Morgenröte. Die aufgehenede Blutsonne warf spiegelnden Lichtglanz über die ruhig wogende See. Kapitän Camare starrte mit grimmigen Augen in dem wettergegerbten Gold seines Gesichts auf das weite Meer gen Norden. Wenn sich Piraten ankündigen sollten, dann aus dieser Himmelsrichtung. Das Gesindel kam immer aus der Richtung von Stros M'kai oder der Goldküste. Nicht anders würde es dieses Mal sein - der Seeräuberabschaum ließ sich seiner Meinung nach gar viel zu viel Zeit. Die rechte Hand tätschelte die Reling seiner 'Singvogel', während die linke eine leere Tasse Sauerbeerentee hielt, einem ständigen Klappern unterworfen, denn sie zitterte unter dem nie vollkommen verheilten Leiden einer alten Verletzung. Er wendete sich ab, wollte in der Kajüte Nachschub holen gehen, da schoss plötzlich ein alarmierendes Gebrüll sein Rückgrat entlang und ließ ihn abrupt inne halten. "Piraten! Backbord, knapp eine Meile entfernt!" Der Moment, auf den er gewartet hatte. Ein adlerhaftes Grinsen breitete sich auf den abgemergelten Zügen aus. "Steuermann, hart Backbord! Nordosten, Kurs auf das schwarze Segel!"
Sein Obermaat übernahm weiteres Gerufe an die Soldaten. "Gefechtsbereitschaft herstellen!" Nun galt es bloß noch die Zeit bis zum Kontakt abzuwarten. Was auch immer das Ziel dieser Piraten war, sie sollten es nicht erreichen, war sich Camare sicher.
Noch während des Abfangkurses wurde dem Kapitän bewusst, dass es nicht bloß ein Schiff, sondern zwei waren, die in einer Linie fuhren. Fast, als hatten sie den
Altmer täuschen wollen. Sie wussten, dass sie an ihm vorbei mussten, um zu den Handelsschiffen zu gelangen. Aber es waren auch bloß Piraten. Undiszipliniert, dreckig, dumm. Selbst zu zweit würden sie es nicht mit der Seehoheit der aldmerischen Marine aufnehmen können.
Das Seegefecht begann furios und soll, so erzählen es die Gerüchte, gar von den Ruinen Quendeluuns zu beobachten gewesen sein. Brennende Schiffe, Ballistenpfeile, manche mit Feuersalzen geladen, magische Projektile und Abwehrmaßnahmen. Die Singvogel hatte mit der Übermacht zu kämpfen. Es ist die Rede davon, dass es zwischenzeitlich aussah, als würde Camare den Rückzug anordnen. Doch es waren nur Finten, wissen die anderen zu berichten, um die Gegner auf einen unvorteilhaften Kurs zu locken. Die "Blutige Marie" soll versenkt worden sein und die im Meer treibende Besatzung wurde den Wellen auf hoher See überlassen. Einige Zeit darauf forcierte sich das Feuer der Singvogel auf die "Goldene Morgenröte" und der entschlossene Kapitän Camare befahl den Angriff mit voller Kraft. Es soll allerdings ein Manöver gewesen sein, um sich aus der Defensive zu prügeln, denn auch die Singvogel schien bereits einige Schäden aufzuweisen. So war es sicherlich der Expertise des Kapitäns zu verdanken, dass auch die Goldene Morgenröte letztlich bei einem begonnenen Fluchtversuch manövrierunfähig gemacht wurde. Die übrige Mannschaft unter Kapitän Mahira soll in Gefangenschaft genommen worden sein - einschließlich des Kapitäns.
Doch in seinem Hohn ließ Camare vier Besatzungsmitglieder der Goldenen Morgenröte in ein Beiboot steigen. Sie sollten den Versuch wagen, in dem Ruderboot zurück nach Stros M'kai zu kommen. Kommen sie dort an, würden sie Geschichten zu erzählen haben, dass die Marine des Dominions nicht zu unterschätzen sei; dass der gepflegte Hochmut und das Risiko ihnen fast den Tod gebracht hätten. Schaffen sie es nicht, wird das Boot von den Wellen verschluckt, so werden ihre Körper wohl auf dem Meeresgrund enden oder an irgendeinem Strand angespült werden.
Kapitän Camare verbuchte derweil das Seegefecht als einen Sieg für sich. Die Schäden an der Singvogel waren ein Ärgernis - Und so befahl er, nach abgewehrtem Piratenangriff und mit Gefangenen an Bord, Kurs auf
Himmelswacht zu nehmen.