VII – Von Hexen und Vetteln
Der kleine Raum ist erfüllt vom Geruch diverser Kräuter, die in kleineren und größeren Ansammlungen auf dem groben Holztisch verteilt liegen. Es macht das Atmen schwer, obwohl die kleinen Fenster des Hauses weit geöffnet sind und die morgendlich frische Saatzeitluft in den kleinen Raum strömt. Das Feuer im gemauerten Kamin des Häuschens unterstützt das Aroma der Pflanzen hingegen. In unterschiedlicher Form liegen sie da: Als fein gemahlenes Pulver, andere wurden nur grob zerteilt. Von einigen wurden zarte Blütenblätter verwendet, von anderen Pflanzen die Wurzeln und Knollen. Mittig auf dem Tisch liegt, ausgerollt und von drei groben Trinkebechern an den Ecken gehalten, ein inzwischen leicht abgegriffen aussehendes Pergament. Die Schrift darauf wirkt geübt, schwungvoll und gleichzeitig schnörkellos. Drei Männer stehen um den Tisch herum, sehen recht konzentriert aus, jedoch aus unterschiedlichen Gründen.
„Das sind die Zutaten, die ich hier in der Stadt auftreiben konnte.“, gibt die leicht brüchige Stimme des Medicus an. Sein knorriger Zeigefinger tippt auf das Dokument, auf den Teil, der eine Aufstellung enthält. Punkt für Punkt gleitet seine Fingerspitze über das Papier, während er mit dem Kinn nach jedem Tippen auf dieses Pulver, jenes Kraut oder eines der Kräuterhäufchen deutet, als Erklärung, welches davon zu der Aufstellung passt. Alaric hat ein frisches Pergament kurz neben das der Wyrdanführerin gelegt, notiert sich im Anschluss die Zutaten, die noch fehlen.
„Bei Shor’s Knochen“, knurrt Galthor nach geraumer Zeit,
„dein Mädchen ist der alten Hexe wirklich viel wert!“ Das seine Bemerkung keinesfalls abwertend auf Estelle bezogen ist, lässt sein fast erstaunter Blick über all die Zutaten erkennen, die der Medicus herbeigeschafft hat. Fast zustimmend nickt Alaric, der dem Blick seines Freundes folgt. Sein Erstaunen ist nicht minder groß; viele der Essenzen kennt er nicht, vielen ist er im Laufe seines Lebens und trotz des Bereisens vieler Ländereien Tamriels noch nie begegnet.
„Ihr habt wirklich gute Arbeit geleistet, Medicus!“, lobt er schließlich den älteren Mann und bedenkt ihn dabei mit einem wohlwollenden Blick. Dessen Augen funkeln kurz auf. Er wirkt, als würde ihm diese Zusammenarbeit mit den Nordmannen selbst Freude bereitet, denn seine ansonsten leicht nach unten gezogenen Mundwinkel ziert ein feines, stolz anmutendes Lächeln. Schnell wird er jedoch wieder ernst.
„Dennoch, Thane, es fehlen noch immer einige Bestände.“, wirft er ein, runzelt dabei leicht die Stirn und erneut geht sein Zeigefinger zur Aufstellung, tippt er auf einige Punkte, die direkt untereinander stehen.
„Pilze sind das!“, erläutert er.
„Nicht leicht zu finden, schon gar nicht im Monat der Saat.“, fügt er bedauernd hinzu. Leicht stößt er sich vom Tisch ab, seine Hände gehen kurz in seinen Rücken, als hätte ihn das lange Vornüberbeugen ein wenig steif im Kreuz werden lassen. Währenddessen wechseln Alaric und Galthor Blicke, bis der ältere Hüne ratlos die Schultern zuckt.
„Schau mich nicht an!“, unterstreichend hebt er seine Hände in Richtung Alaric.
„Pilze kenne ich nur im deftigen Eintopf und selbst da frage ich mein Weib nicht, woher sie die hat“, knurrt er weiter, wendet seinen Kopf dabei zum offenen Fenster hin. Alaric’s Blick wandert weiter, verbleibt diesmal auf dem Medicus, der grübelnd im Raum auf und ab schreitet, seinen Finger nachdenklich gegen sein Kinn tippend. Alaric lässt ihm Zeit. Er weiß, dass solche „Spaziergänge“ oft in einer Lösung münden und kurz darauf behält er Recht. Mitten in seinem Schritt, eine erneute Runde im Raum laufend, hält der Medicus inne. Sein Gesicht erhellt sich und ein leises
„Ja, genau!“ unterstreicht seinen Geistesblitz. Wieder erstaunlich beweglich schwenkt der Mann herum, reckt seinen Zeigefinger in die Höhe und dreht sodann auf seinem Absatz herum, nur einen Augenblick verzögert, schlürft auf eine aufgehängte Landkarte an der Wand zu. Suchend gleiten seine Augen und Finger eine Weile über die Karte, bis er gefunden hat, wonach er sucht. Seinen Finger auf eben diesem Punkt belassend, dreht er sich halb zu Alaric hin.
„Dort müsst Ihr hin, Thane. Genau dort!“ Unterstreichend tippt sein Finger gegen die Wand, auf den Punkt auf der Landkarte, den er ins Auge gefasst hat. Alaric tritt zu ihm, beugt sich mit leicht zusammengekniffenen Augen zur Karte hin.
„Aldfelden?“, fragt er zögernd nach, denn die Augen des Medicus sind noch immer auf ihn gerichtet, gehen zu Galthor über, als dieser ein, halb gemurmeltes, halb geknurrtes
„…war ja abzusehen, dass wir wieder durch die Lande reisen müssen…“ von sich gibt. Erst dann wendet der Heiler sich wieder dem
Nord zu, betrachtet erneut die Karte und verfällt in ein kräftiges Nicken.
„Jawohl… Aldfelden!“, wiederholt er, als wäre es für alle Anwesenden logisch und nachvollziehbar. Schon bewegt er sich von der Karte weg zum Tisch hin, greift nach einem der groben Becher und nimmt einen tiefen Schluck des inzwischen kalt gewordenen Kräutertrunks. Leicht schmatzend leckt er sich zwischen zwei Schlucken seine Lippen, als ihm die plötzlich eingekehrte Ruhe im Raum auffällt. Er stutzt kurz, genehmigt sich noch einen Schluck und setzt den Becher erneut auf dem Tisch ab.
„Uhm… ja richtig… könnt Ihr nicht wissen“, gibt er von sich, wobei er sich erneut in Richtung Landkarte in Bewegung setzt. Sein Finger beginnt sofort, sich westlich um den Ort Aldfelden auf der Karte zu bewegen.
„Dieses Umland dort“, erklärt er, die Aufmerksamkeit der beiden Männer auf seinen erklärenden Finger ziehend,
„…das Gebiet ist in dieser Jahreszeit feucht, zerklüftet und moorig. Aus diesem Grund gibt es in Aldfelden viele Sammler, die die umliegenden Dörfer und Städte mit Pilzen versorgen. Dort gibt es übrigens die besten Eintöpfe von Hochfels.“, erklärt er mit leichtem Stolz in der Stimme weiter. Galthor, der nun ebenfalls nähergetreten ist, beugt sich näher an die Karte. Und während der Medicus seine Finger von der Karte wegzieht, legt Galthor seine Hand darauf und misst damit die ungefähre Entfernung zwischen Dolchsturz und Aldfelden aus.
„Da springt doch der Hase ins Feuer!“, kommentiert er seine Messung.
„Das sind mindestens vier bis fünf Tagesritte dorthin, wenn nicht sogar mehr.“ Er rückt sein Gesicht noch näher an die Karte.
„Moment… die Stadt liegt am Meer, dann ist da auch ein Hafen, an dem wir festmachen können.“, gibt er sodann seine Entdeckung preis, wechselt seinen Blick zu Alaric hin und beide Männer sind sich erneut ohne offizielle Absprache einig: Man wird das Schiff nutzen. Die Besatzung liegt bereits seit vielen Tagen vor Anker in Dolchsturz und hat in dieser Zeit wahrscheinlich alle Planken ausgezählt, da der gemeinschaftliche Landgang untersagt werden musste, sie nur zu dritt oder maximal zu viert das Schiff verlassen und per Ruderboot an Land gehen dürften. Von daher würde ein Abstecher nach Aldfelden eine willkommene Abwechslung für die Mannschaft sein, ebenso das Wiedersehen mit ihrem Anführer und Kapitän. Ein leises Räuspern des Medicus, wodurch er die Blicke beider Nordmänner wieder auf sich zieht.
„Eines muss ich Euch noch mit auf den Weg geben – eine Warnung!“ Er legt eine nach Aufmerksamkeit heischende Sprechpause ein, bei der sowohl Alaric, als auch Galthor langsam ihr Kinn gen Brust senken, ihm dabei aufmerksam lauschend.
„Auch dort hat sich ein Teil des Hexenzirkels niedergelassen!“, merkt er an und noch bevor Alaric seine leicht erhobene Hand abwinkend senken kann, hebt der Medicus selbst die Hand an. Da scheint mehr dahinter zu stecken und so lauschen die beiden
Nord weiter.
„Ich weiß, ich weiß. Ihr glaubt die Hexen nun zu kennen, doch dem ist nicht so!“, führt der Medicus aus.
„Die dort angesiedelten Hexen sind Ausgestoßene ihres eigenen Stammes – gefährlich, ungut und auch schrecken sie vor blutigen, nächtlichen Ritualen nicht zurück!“, äußert er schließlich und zur Gänze seine Warnung.
Alaric und Galthor – die Blicke treffen aufeinander, dem ein kräftiges Nicken beider
Nord fast zeitglich folgt. Sie scheinen gewillt, diese Reise trotz der ausgesprochenen Warnung anzutreten.
Der Abschied vom Medicus erfolgt danach recht schnell. Ein kräftiger wie auch herzlicher Händedruck, die gesammelten Zutaten wechseln den Besitzer und fast scheint es den älteren Mann zu berühren, sich nunmehr von den Nordmannen verabschieden zu müssen, denn sein Blick wirkt fast väterlich, als er Alaric's Arm zum Abschied leicht tätschelt.
"Gebt auf Euch Acht und sollte Euch euer Weg noch einmal herführen, so seid Ihr in meinem Haus stets willkommen!". Seine Worte klingen aufrichtig, entlocken sowohl Alaric, als auch dem ansonsten so ungerührt wirkenden Galthor ein Schmunzeln, ehe beide Männer gemeinschaftlich zum Medicus nicken und sich auf den Weg machen.
Alle Zutaten sorgfältig verstaut, verlassen die
Nord das Haus des Medicus, nehmen den Weg in Richtung des Stalls der Stadt Dolchsturz, in dem sie für die Zeit des Besuchs ihre Pferde eingestellt haben. Auch heute folgen den Männern wieder neugierige und auch staunende Blicke, was Galthor veranlasst, sein breitestes Grinsen auf sein bärtiges Gesicht zu setzen.
"Sind gar nicht so übel, die Hochfelser", räumt er brummig ein, seinen Blick über die ordentlich scheinenden Fassaden der Häuser gleiten lassend und auch einige Marktfrauen trifft sein wachsames Auge, ruht gar ein wenig länger auf ihnen. "Auch wenn sie in Himmelsrand zittern würden, bis man ihre Knochen zusammenschlagen hörte.", kann er sich eine kleine Spitze dennoch nicht verkneifen.
Alaric lacht, als würde er Galthor insgeheim zustimmen. Er kennt seinen Freund sehr genau und weiß, dass sich heute wieder jemand seinen dauerhaften Respekt und auch seine Freundschaft verdient hat - der Medicus.